Mittags haben die Nutten die Wahl. Zum Kaffee gibt es Blechkuchen; nach dem Essen räumen gute Geister in adrett gestärkten Rüschenschürzen das Alte Nutten Altstadt Stuttgart Porzellan ab. Das »Dreifarbenhaus« in der Stuttgarter Altstadt ist Deutschlands vermutlich kuriosester Puff. Die Kantine im Keller ist eine Heimstatt altdeutscher Einrichtungskunst, mittendrin im Sündenpfuhl: resopalbeschichtete Tische, Stühle aus Holzimitat, braungeblümter Frotteevorhang. Die Prostituierten gehen gediegen wie die Dauercamper zum Essen, in T-Shirt-Kleid, Bademantel oder Trainingshose. Grüppchenweise lassen sie sich in den Sitzecken nieder, schnatternd und schwatzend, als seien sie Schülerinnen. Keine Dessous, keine nackte Haut. In diesem Puff ist der Lustbetrieb schwäbisch-pietistisch geregelt. Zwei »Dirnenwohnheime« sollten sittliche Ordnung in die schwäbische Sittenlosigkeit bringen. Eines der Bordelle wurde erst gar nicht gebaut, das andere, das Dreifarbenhaus, mit kommunaler Unterstützung errichtet. Grundsolide wie der Neutralseifengeruch in den hellgelb gefliesten Fluren sind die Bedingungen, unter denen die Frauen arbeiten: kein Alkohol, keine Drogen, keine Zuhälter - jede Frau, die mit Pulle, Koks oder einem Luden erwischt wird, fliegt raus. Auch einen Kontakthof gibt es nicht - die Kunden müssen durch lange Flure laufen und selbst nachschauen, welche Dirnen hinter den 67 numerierten Zimmertüren sitzen und Alte Nutten Altstadt Stuttgart gefallen. Derzeit allerdings kommt die Mehrheit der Männer nicht, um Liebesdienste zu kaufen, sondern um zum Nulltarif zu gaffen. Rund 90 Prozent der Besucher, schätzt Alfons Nastold vom Ordnungsamt, treibt nur die kostenneutrale Neugierde zu den Nutten. Im Gewerbe herrscht Rezession. Eine halbe Stunde kostet immerhin Mark, und die Zeiten, in der begehrte Huren im Dreifarbenhaus 15 Mark Monatslohn hatten - also 25 Freier pro Woche - liegen schon Jahre zurück. Fast 70 Jahre alt ist sie und im Puff angestellt, seit es ihn gibt. Damals, vor 41 Jahren, hatte sie gerade geheiratet, ihr Mann verwaltete, sie kochte; als er vor 14 Jahren starb, übernahm die Ehefrau seinen Job gleich mit. Seitdem zupft sie nicht nur Bubenspitzen, sondern kauft auch jede Zutat dafür ein. An einem Holzbrett in ihrem Büro direkt gegenüber der Kellerkantine hängen die rostigen Schlüssel zu den numerierten Zimmern. Krone vermietet die Räume, verhandelt mit dem Ordnungsamt, führt Buch über alles, was im Freudenhaus passiert, und sucht die Liebesdienerinnen aus, die. Ein anderes Mal habe der eigene Bruder sie verraten und der Mutter erzählt, die Liesl arbeite im Puff. Die Liesl gab es zu. Als ihre Tochter, die einst Nonne werden wollte, mit 20 Jahren den Arbeitsplatz ihrer Eltern kennenlernte, war sie fassungslos. Die Ablehnung der Tochter bewegte die Mutter mehr als alle Diskriminierungen der Saubermänner um sie herum: »Das Arbeitsamt hat mir keine Putzhilfen vermitteln wollen, weil dieses Haus hier keiner Frau zuzumuten Alte Nutten Altstadt Stuttgart. Und im letzten Winter weigerte sich eine Firma, Streusalz an unsere Adresse zu liefern. Allen Anfeindungen zum Trotz, obwohl sie längst in Rente gehen könnte. Die meisten Prostituierten sind dankbar für die schützende Intimität im Haus und profitieren sogar von der seltsamen Moral einer Umgebung, in der Nutten sich nicht ans Fenster stellen dürfen, weil der Juwelier gegenüber um seine Kundschaft fürchtet. Hinzu kommen täglich rund zehn Mark Steuern. Alle Dreifarbenhäuslerinnen sind mit festem Wohnsitz gemeldet. Im Stockwerk über Ute liegt Tamara, 40, in BH und Slip auf ihrem Grundausstattungsbett. Der Fernseher läuft, in der Ecke kränkelt eine Zimmerpflanze, auf dem Regal stehen Stofftiere und Plastikspielzeug aus dem Überraschungsei. Tamara schafft hier an, weil sie den Kontakt zur Szene scheut. Der Mann ist weg, die Agentur pleite, und Tamara träumt von einem Blumenladen in der Pfalz. Seidenblumengestecke bastelt sie jetzt schon am Wochenende, wenn sie in ihrer Mietwohnung in Pirmasens nach dem Rechten sieht.
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